
13.04.2025
Podcast mit
GdP-Chef Kopelke: Wir leisten uns eine demokratische Gesellschaft
Der Hörtipp-Podcast „Wir leisten uns Gesellschaft“ – Folge #22 | Innere Sicherheit und
gesellschaftlicher Zusammenhalt. Ein
Gespräch über die Arbeit der Polizei mit GdP-Chef Jochen Kopelke, Berthold Vogel, Geschäftsführender Direktor des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI), und Julia Kropf, Soziologin und freie Moderatorin.
Das Gefühl der Unsicherheit im öffentlichen
Raum wächst und viele fühlen sich
schutzbedürftig – unabhängig davon, ob sich
dieses Gefühl in offiziellen Statistiken
wiederfindet.
„Wir leisten uns Gesellschaft“ ist ein Talk über Fragen und Themen, die unsere Zeit bewegen. Wir leisten uns Gesellschaft – das klingt selbstverständlich. Aber es klingt in diesen Zeiten auch nach Luxus und Zumutung zugleich. Wer kann sich Gesellschaft leisten? Wer muss und wer möchte sich Gesellschaft leisten – und wenn ja, welche?
Der Podcast ist nachzuhören bei Spotify und iTunes.
Kernaussagen des GdP-Chefs
„Wir leisten uns eine demokratische Gesellschaft. Das ist für mich in meiner Sozialisierung als Polizist ganz wesentlich. Und diese demokratische Gesellschaft, diese Demokratie, die braucht Rechtsstaatlichkeit. (…) Das Rechtsstaatsprinzip ist eigentlich das Sicherheitsnetz dieser Demokratie und dieser Gesellschaft. Und darum geht es uns auch in der Polizeiarbeit.“
Kriminalstatistik
„Wir stellen fest, dass die Zahlen (PKS) nicht mehr tragen und auch ehrlicherweise nicht mehr konkret und genau genug sind, weil wir etwa bei einigen Statistiken nicht alle Fälle erfasst haben oder weil wir 20.000 Akten in einem Büro liegen haben, die noch keiner angeschaut hat. Das verfälscht die Statistik. (…) Die Bevölkerung registriert dann eher andere Dinge, nämlich was passiert hier auf meinem Weg zur Arbeit, was passiert hier, wenn ich feiern gehe, was passiert mit meinen Freundinnen und Freunden oder auch im Verwandtenumfeld und gleicht das mit der medialen Darstellung von Sicherheit ab.“
„Polizeiarbeit ist unfassbar kleinteilig und regionenspezifisch. Man sieht das in Regionen, in Stadtteilen, wo die Wahrscheinlichkeit, Opfer zu werden, viel geringer ist, weil wir eine aufmerksame Gesellschaft haben. Woanders interessiert sich keiner für die Nachbarin oder den Nachbarn. Da ruft auch keiner die Polizei. Da ist das Opferwerden viel schneller gegeben. Auch erfährt die Polizei viel später davon und kann gar nicht gefahrenabwehrrechtlich, also sozusagen verhindernd, einschreiten.“
Polizeireformen
„Und wenn man dann auf die Entwicklung der deutschen Polizeien schaut, sieht man, dass in den 2000ern die Polizeien in diese klassische Managementwelt geholt wurden. (…) Viele Kolleginnen und Kollegen nehmen wahr, dass sie raus sind aus dem Ich-bin-Freund-und-Helfer und hin zu einem Einsatz-Abarbeiter. (…) Die Menschen wollen von dem, was sie mal hatten, etwas zurück – weil sie sich unsicher fühlen. Die Polizeiverwaltung kann so schnell nicht wieder aufbauen,was aus Kostengründen eingespart wurde und Managementideen eigentlich wieder rückgängig gemacht werden müssten.“
Alltag
„Manche Menschen in einigen Stadtteilen akzeptieren keine Polizei. Und ich sage mal vorsichtig, das ist genau der Ort, an dem man eine Polizeistation hinbaut und anfängt, wieder in diese sozialen Netzwerke vorzudringen.“
„Wir sind in Teilen Sozialarbeiter. Dafür muss man verstehen, wie Menschen ticken, was man alles für die Polizeiarbeit benötigt: Kommunikation, Vertrauen in den Kollegen oder die Kollegin sowie Rückhalt in der Gesellschaft. In der Ausbildung diskutieren wir zurzeit ganz massiv, warum uns die Menschen in der Ausbildung wieder so schnell verlassen. Wir haben eine äußerst hohe Kündigungs- und Durchfallquote in der Ausbildungszeit. Diese lag bei etwa sechs Prozent und ist jetzt auf zwölf Prozent angestiegen.“
Nachwuchs
„(…) Warum verlieren wir mehr Menschen in der Ausbildung? Das liegt teils an schlechter schulischer Vorbildung. (…) Wenn sie die Ausbildung geschafft haben, erleben wir nach sechs Jahren Dienst noch einmal einen großen Knacks. Ich sage mal vorsichtig, wenn man alles einmal gesehen und erlebt hat, kommt die Erkenntnis: Das soll ich jetzt noch 40 Jahre machen, um eine Pension zu bekommen? Und dann erleben wir durch den Fachkräftemangel, durch den veränderten Arbeitsmarkt, dass die Menschen kündigen. Uns ältere Polizisten erschreckt das. Warum gibt man den Traumberuf auf?“
„Es gibt Strategien, wie man viel mehr auf die Familien zugeht und über den Beruf informiert. Die Elternhäuser bestimmen zunehmend, wohin sich junge Menschen bewerben. Manche Elternhäuser aus bestimmten Communitys, die etwa mehrsprachig sind oder eine Migrationsgeschichte haben, kommen jedoch gar nicht auf die Idee, ihre Kinder zur Polizei zu schicken oder es ihnen zu empfehlen.“
„Wir werben auf Berufsinformationsmessen. Dort sind tolle Polizisten, die den tollen Beruf auch toll darstellen. Das heißt, wir können uns bei der Außendarstellung nicht beschweren. Aber was einfach nicht funktioniert, ist, was zu tun ist, wenn die Erkenntnis kommt, dass der Beruf nicht so ist, wie man sich ihn vorgestellt hat. Und darauf müssen die Behörden und die Ministerien Antworten haben.“
„Es gibt 16 Landespolizeien und drei Bundespolizeien, Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und die Bundestagspolizei, und es gibt 16 Landesverfassungsschutzbehörden und eine Bundesverfassungsschutzbehörde. Zudem eigenständige Gesetze, die teils in Konkurrenz zueinander stehen. All diese Behörden wollen die gleichen Menschen. Das heißt, zusätzlich kommt erschwerend der Föderalismus hinzu, in dem um die gleiche Generation gebuhlt wird. (…) Deswegen machen wir uns in der GdP intensive Gedanken, ob wir nicht an einigen Stellen die Föderalismusreform zurückdrehen müssen. Vornehmlich in der Frage von gleicher Arbeit und gleichem Geld.“
Demokratiearbeit
„Man muss auch innerhalb der Polizei, und auch der Gewerkschaft der Polizei, Demokratiearbeit machen. Denn man kann nicht jemandem eine Ausbildung ermöglichen und dann das Polizeileben und all das Schreckliche, was wir im Dienst erleben, unkommentiert diesen Menschen in ihrem Dienst überlassen. (…) Es gibt eine große Studie, (Megavo), die sich mit beeinflussenden Faktoren im Polizeialltag beschäftigt hat. Diese könnten Diskriminierung und falsches Verhalten fördern. (…) Man müsste angesichts harter Dienstjahre funktionierende Mechanismen einsetzen, um wieder zurück zu einem vielfältigeren Bild zu kommen. (…) Die Polizei Niedersachsen lebt es vor. An der dortigen Akademie haben sie ein sehr bemerkenswertes Demokratie-Paten-Prinzip erfunden.“

„Viele Kolleginnen und Kollegen nehmen wahr, dass sie raus sind aus dem Ich-bin-Freund-und-Helfer und hin zu einem Einsatz-Abarbeiter.“Jochen Kopelke, GdP-Bundesvorsitzender