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© Phillip C.
Phillip C.

03.12.2024

Das Leitbild der sächsischen Polizei – Orientierung und Herausforderung

Grundsatz Vielfalt

Ein Leitbild dient als eine Art Leitstern, der grundlegende Werte vorgibt, die wir als sächsische Polizei für uns selbst definiert haben und denen wir folgen möchten. Es ist ein „Bild“, hinter dem wir uns versammeln und das aufzeigt, wie wir sein wollen.

Als Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßen wir ausdrücklich, dass sich die sächsische Polizei in einem umfassenden Reflexionsprozess mit der Frage auseinandergesetzt hat, welche Werte uns als pluralistische Organisation in einer ebenso vielfältigen Gesellschaft wichtig sind und wie wir diese im Berufsalltag leben wollen. Dabei bleibt Raum für individuelle Vorstellungen: Jede Kollegin und jeder Kollege bringt eigene Ansichten und Erfahrungen ein, wie sie oder er den Polizeiberuf ausübt. Das Leitbild bietet jedoch eine konsensuale Orientierung in Form gemeinsamer Leitplanken.

 

Für uns als GdP bedeutet das Leitbild zudem eine Chance, den Anspruch „Wie wollen wir als sächsische Polizei vom Bürger wahrgenommen werden?“ mit der tatsächlichen Wahrnehmung durch die Bevölkerung in Einklang zu bringen. Die Realität zeigt, dass uns dies nicht immer vollständig gelingt. Zwar genießt die Polizei nach wie vor ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung und gehört zu den angesehensten Institutionen, doch mussten wir in den letzten Jahren einen leichten Vertrauensverlust hinnehmen. Umso wichtiger ist es, sich angesichts gesellschaftlicher Veränderungen mit den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an die Arbeit der Polizei und unsere Wertebasis auseinanderzusetzen.

 

Das Leitbild der sächsischen Polizei definiert zentrale Begriffe wie Professionalität, Toleranz und Verantwortung. Diese Begriffe sind emotional aufgeladen und bieten Orientierung, ohne dabei, anders als Leitlinien, wissenschaftlich belegbar oder evaluierbar zu sein. Genau darin sehen wir jedoch auch Potenzial zur Verbesserung: Aus Sicht der GdP wäre es notwendig gewesen, wenn die Erarbeitung des Leitbildes stärker wissenschaftlich begleitet worden wäre, um das Leitbild nicht nur als wertvolle Orientierung, sondern auch als konkretes Werkzeug für die polizeiliche Praxis nutzbarer zu machen. So ist im Polizeifachhochschulgesetz vorgesehen, dass ein solches Projekt von der Hochschule der Polizei mitentwickelt wird. Stattdessen wurde die Federführung von der Polizeiführung an das Ministerium verlagert, wodurch eine unabhängige, wissenschaftlich fundierte Begleitung zumindest nicht transparent sichergestellt wurde.

 

Klare Forderung als Gewerkschaft der Polizei ist die Notwendigkeit, dass der Polizei-Hauptpersonalrat stärker in den Prozess eingebunden wird. Die Mitbestimmung durch dieses Gremium würde dazu beitragen, die Akzeptanz des Leitbildes in der gesamten Organisation zu erhöhen und dessen Werte breiter zu verankern.

 

Der Erfolg unserer Leitlinien liegt jedoch vielmehr in der konsequenten Umsetzung im Alltag: Das Leitbild kann nur wirksam werden, wenn wir es mit Leben füllen und konkrete Maßnahmen für die tägliche Arbeit ableiten.  Ein funktionierendes Leitbild muss daher alle Bereiche der Polizei durchdringen – von der Frage, wie wir als moderner Arbeitgeber wahrgenommen werden wollen, über Führungs- und Fehlerkultur, Einsatzgrundsätze bis hin zum täglichen kollegialen Miteinander. Bereits in der Polizeidienstvorschrift 100, die bundesweit Gültigkeit besitzt, wurden Führungsleitlinien angepasst, um diesen Ansprüchen Rechnung zu tragen. Doch damit allein ist es nicht getan.

 

Es liegt an allen Kolleginnen und Kollegen, das Leitbild durch transparentes, authentisches und vorbildhaftes Handeln mit Leben zu füllen. Dies muss bereits in der Ausbildung und im Studium systematisch verankert werden. Besonders Führungskräfte tragen eine große Verantwortung, die definierten Werte glaubwürdig vorzuleben. Ein Leitbild darf keine einmalige Kampagne bleiben, die nach anfänglichem Engagement in Vergessenheit gerät. Es muss dauerhaft verankert werden und sich im täglichen Handeln widerspiegeln. Die reine Darstellung – etwa durch Bildschirmhintergründe oder Broschüren – reicht nicht aus.

 

Aus Sicht der GdP Sachsen wäre eine andere Herangehensweise an die Erarbeitung des Leitbildes wünschenswert gewesen. Statt eines Top-down-Ansatzes hätte ein Bottom-up-Prozess eine größere Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen an der Basis ermöglicht. Ihre Perspektiven und Werte hätten als Ausgangspunkt dienen können, um ein noch breiter getragenes Leitbild zu entwickeln. Ob dies zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, bleibt offen – dennoch hätte eine stärkere Einbindung die Identifikation mit dem Leitbild deutlich erhöht.

 

Wir als GdP Sachsen begrüßen das Leitbild und die damit verbundenen Ziele ausdrücklich, mahnen jedoch, dass es nicht in der Hektik des Dienstalltags untergehen darf. Es braucht Zeit, Engagement und Überzeugung, um es als lebendigen Bestandteil der Polizeiarbeit zu etablieren. Nur so kann es zu einem langfristigen Erfolg führen.