
17.02.2025
Ein besonderer Ort des Schutzes – Besuch im Childhood-Haus Schwerin
Die GdP Kreisgruppe Landeskriminalamt zu Besuch im Childhood-Haus Schwerin
Am 24. Januar 2025 besuchten Miriam Simoni, die Gleichstellungsbeauftragte des Landeskriminalamts, Kristin Frosch, die Personalratsvorsitzende, sowie die Präventionsbeamtin des Landeskriminalamts, Juliane Auf dem Thie, das Childhood-Haus in Schwerin. Der Besuch fand anlässlich einer Spendenaktion statt, die jährlich während der Kinderadventsfeier des Landeskriminalamts in Kooperation mit der Kreisgruppe der Gewerkschaft der Polizei MV organisiert wird. Ziel der jährlichen Aktionen ist es, Projekte zu unterstützen, die sich für den Schutz und die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen einsetzen.
Ein besonderer Ort mit einer wichtigen Mission
Empfangen wurden die Gäste von der Leiterin des Hauses, Frau Schirrmacher, die mit ihrer offenen und positiven Ausstrahlung sofort für einen behaglichen ersten Eindruck sorgte. Schon beim Betreten des Hauses konnten wir erkennen, dass dieser Ort eine ganz besondere Mischung aus Schutz und Wohlfühlatmosphäre bietet – ein Kontrast zur oft grausamen Realität, mit der die betroffenen Kinder und Jugendlichen regelmäßig konfrontiert sind. Wir überreichten Frau Schirrmacher ein von Juliane Auf dem Thie selbst gestaltetes Bild, das die Sicherheit des Childhood-Hauses symbolisiert, sowie die gesammelte Geldspende. Dabei kamen wir mit ihr in einen regen Austausch über das Objekt, die unterschiedlichen Situationen der betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie die Aufgaben der Mitarbeiterinnen im Childhood-Haus.
Das Childhood-Haus Schwerin ist eine interdisziplinäre Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt geworden sind. Drei engagierte Mitarbeiterinnen – eine Sozialpädagogin in Leitungsfunktion, eine weitere Sozialpädagogin und eine Psychologin mit einer 20-Stunden-Stelle – begleiten die Kinder durch die schwierige Zeit eines Strafverfahrens und sorgen gemeinsam für Fürsorge und Geborgenheit sowie den Schutz der jungen Menschen.
„Es sind starke Kinder“, betont Frau Schirrmacher, und ihre Worte klingen lange nach. Ihre Geschichten sind oft bedrückend, ihre Wege voller Herausforderungen. Doch in diesem Haus finden sie Halt, Verständnis und Unterstützung. Jedes Detail in den Räumen ist darauf ausgerichtet, ihnen Sicherheit zu geben.
Auch den Begleitpersonen stehen Frau Schirrmacher und ihre Kolleginnen zur Seite, beraten sie und sorgen bei Bedarf für die notwendige Distanz, um damit im Ergebnis auch den Kindern die erforderliche Sicherheit zu geben.

Ein Konzept mit skandinavischen Wurzeln
Das Konzept der Childhood-Häuser entstand vor 25 Jahren durch eine Initiative der schwedischen Königin. In Skandinavien sind diese Einrichtungen inzwischen verpflichtend, während sie in Deutschland erst seit 2018 eingerichtet wurden. Meist sind sie an die Universitätskliniken größerer Städte angebundenIn Schwerin wurde das Haus auf Initiative der Stadt unter der Trägerschaft des Jugendamtes gegründet. Eine Stiftung stellte die Anschubfinanzierung bereit, doch mittlerweile wird die Einrichtung von verschiedenen Ministerien sowie den Kommunen im Landgerichtsbezirk Schwerin finanziert. Die breite Zuständigkeit ist ein klares Bekenntnis zu diesem Haus, bringt allerdings Probleme in der Verantwortung mit sich.
Frau Schirrmacher selbst war maßgeblich am Aufbau der psychosozialen Prozessbetreuung von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern beteiligt und berichtete stolz, wie das Childhood-Haus seit seiner Eröffnung am 5. April 2022 ein sicherer Ort für betroffene Kinder geworden ist. Die Dringlichkeit der Einrichtung zeigte sich bereits einen Tag vor der offiziellen Eröffnung, als das erste Kind betreut wurde.
Aus der Nachbarschaft erfährt das Haus Unterstützung, eine Rentnerin häkelt und strickt für die Kinder. Die Memory-Schildkröte, die kleinen Helferlein oder Aufpasser, die sich jedes Kind aussuchen kann, oder das Mobile über dem Wickeltisch – all diese liebevollen Details helfen den Kindern, sich in einer fremden Umgebung geborgen und begleitet zu fühlen und anschließend auch ein Stück Sicherheit mit nach Hause zu nehmen.
Interdisziplinäre Betreuung
Das Childhood-Haus arbeitet nach einem einzigartigen Konzept: Alle relevanten Stellen – Polizei, Rechtsmedizin, Gericht und psychosoziale Betreuung – kommen zu den Kindern in die geschützten Räume. So finden polizeiliche und richterliche Vernehmungen direkt im Childhood-Haus statt und die rechtsmedizinischen Untersuchungen können vor Ort in modernsten kindgerechten Räumlichkeiten durchgeführt werden, um die belastende Situationen für die Betroffenen so weit wie möglich zu minimieren.
Besonders für die Polizei ist dieses Haus von unschätzbarem Wert: In den Dienststellen können wir eine derart geschützte Umgebung nicht bieten. Uns fehlen die entsprechenden Möglichkeiten, um Opfer und Eltern umfassend zu betreuen oder eine Umgebung zu schaffen, die für Kinder so sicher und kindgerecht ist wie das Childhood-Haus. Auch die vorgeschriebenen Videovernehmungsräume in den Dienststellen können mit den speziell ausgestatteten Räumen im Childhood-Haus nicht mithalten. Vor allem die Möglichkeit, Opfer und Täter bis zur richterlichen Befragung separat voneinander zu betreuen , schützt die Opfer und erleichtert die Arbeit der Polizei enorm.
Ein weiterer, sehr entscheidender Vorteil ist die Vermeidung sekundärer Viktimisierung: Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Nutzung des Childhood-Hauses kann die Anzahl der Befragungen erheblich reduziert werden. Während die Kinder andernfalls mehrfach durch verschiedene Verfahrensbeteiligte befragt werden müssten, werden durch die Bündelung aller relevanten Stellen im Childhood-Haus viele Befragungen zusammengeführt und durch die behütete Atmosphäre für die Kinder in den meisten Fällen auch anzahlmäßig deutlich begrenzt werden – ein großer Schritt für den Opferschutz.
Psychische Belastung der Mitarbeiterinnen
Die tägliche Arbeit mit traumatisierten Kindern ist auch für die Beschäftigten emotional herausfordernd. Um mit der psychischen Belastung umzugehen, nutzt das Team alle acht Wochen eine Supervision, die zusätzlich auch in akuten Fällen in Anspruch genommen werden kann. Zudem gibt es tägliche Teambesprechungen, um die Fälle gemeinsam zu reflektieren und sich gegenseitig zu unterstützen.
Langfristige Finanzierung und gesellschaftliche Verantwortung
Ein großes Problem ist die langfristige finanzielle Sicherung des Hauses. Trotz der hohen Bedeutung dieser Einrichtung gibt es noch immer keinen verbindlichen Finanzierungsplan auf Landes- und Kommunalebene. Die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig fungiert als Schirmherrin des Childhood-Hauses, dennoch bleibt der politische Wille zur dauerhaften Sicherstellung des Projekts unklar.
Während das Bundesland Nordrhein-Westfalen die Einrichtung von Childhood-Häusern bereits in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hat, liegt in Mecklenburg-Vorpommern seit 1,5 Jahren lediglich ein Prüfauftrag vor, ohne dass ein konkretes Ergebnis erzielt wurde. Dabei zeigen andere Länder, dass Childhood-Häuser eine staatliche Verantwortung sind und nicht von wechselnden Spenden und Förderungen abhängig sein sollten.
Ein Ort, der Hoffnung gibt
Die Leiterin betont, dass es ein gesellschaftliches Umdenken braucht, „denn Kinder sind kein Luxus, sondern unsere Zukunft“ Der Schutz von Kindern und Jugendlichen sollte überall Priorität haben und Childhood-Häuser sollten flächendeckend existieren. Schwerin hat mit seinem Haus ein Modell geschaffen, das Vorbildcharakter für ganz Mecklenburg-Vorpommern, für Deutschland haben sollte.
Forderungen für die Zukunft:
- Zusätzliche Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen
- Vollzeitstelle für eine Traumatherapeutin bzw. einen Traumatherapeuten
- Mehr Streetworker in sozialen Brennpunkten
- Verpflichtende Schulsozialarbeit an allen Schulen
- Ein Childhood-Haus in jedem Landgerichtsbezirk
- Langfristige finanzielle Sicherung der Childhood-Häuser
Der Besuch war eindrucksvoll. Er hat uns gezeigt, wie wichtig diese Einrichtung für den Schutz der jungen Menschen ist. Daher bleibt zu hoffen, dass Politik und Gesellschaft dieses einzigartige Projekt langfristig sichern und Childhood-Häuser auch landesweit implementieren – denn jedes Kind verdient einen Ort, an dem es Schutz und Hilfe findet.
Weitere Informationen zum Childhood-Haus und Spendenkonto