17.04.2024
Ein Scherbenhaufen – Rückführung an den Binnengrenzen
Ist die Bundespolizei für die Aufgabe Rückführung bei Grenzkontrollen und -überwachung richtig aufgestellt?
Die Gewerkschaft der Polizei fordert:
Ertüchtigung der Rückführungsbereiche Landgrenze und Zuführungsdienste | Verbesserung der tatsächlichen Rückführungsmöglichkeiten durch eine effiziente Durchsetzung | Attraktivitätssteigerung für Beschäftigte der Bundespolizei bei der Rückführung auf dem Landweg inklusive der Zuführkomponente
Fakt ist: Die Rückführung ist eine Kernaufgabe der Bundespolizei – und zwar sowohl an Deutschlands Binnengrenzen zu den Nachbarstaaten als auch über die Flughäfen an den EU-Außengrenzen.
An unseren Binnengrenzen werden täglich Menschen aufgegriffen. Aufgrund nicht vorhandener rechtlicher Aufenthaltsmöglichkeiten müssen sie Deutschland unmittelbar wieder verlassen. Dies geschieht durch die sofortige Durchsetzung von Aufenthaltsbeendigungen oder Aufenthaltsverhinderungen.
Auch in Deutschland aufgegriffene Menschen ohne Aufenthaltsstatus müssen teilweise wieder in die Nachbarstaaten oder andere Staaten rückgeführt werden. Dies geschieht in der Regel an den jeweiligen Überstellungspunkten an den Binnengrenzen.
Ein Großteil dieser bedeutenden Aufgabe liegt wie bereits erwähnt in der Verantwortung der Bundespolizei. Hierfür sind in den Bundespolizeiinspektionen an den Binnengrenzen bereits teilweise Rückführungsdienste eingerichtet worden. In zahlreichen Inspektionen wird diese Aufgabe jedoch von den Dienstgruppen mit wahrgenommen und lediglich von den Kolleginnen und Kollegen unterstützt, die mit Rückführungsaufgaben betraut sind.
Die Gewerkschaft der Polizei fordert daher die ganzheitliche Betrachtung des Bereiches Rückführung an den Landgrenzen der Bundespolizei. Bisher wird dieser wichtige Bereich politisch, aber gerade auch dienstlich mehr als stiefmütterlich behandelt.
Hierfür ist die bundesweit einheitliche Ertüchtigung der Rückführungsdienste bzw. -bereiche an den Landgrenzen (Binnengrenzen), aber auch der dazugehörigen Zuführdienste erforderlich.
Zu diesem Zweck ist es an der Zeit, schnellstmöglich eine Organisations-Untersuchung zu initiieren.
Dazu müssen folgende Parameter berücksichtigt werden:
Grenzpolizeiliche Bearbeitung
- Aufgriff, grenzpolizeiliche Bearbeitung, Feststellung Rückführungsnotwendigkeit – was dann?
- Haftanträge (regelmäßige gesetzliche Änderungen)
- Initiierung und Durchsetzung von Sofortvollzugsmaßnahmen
- Grenzen von Amtshilfe/Vollzugshilfe
- Organisation der Überstellungspunkte
- Checklisten Wissen: Was muss ich wann wie tun? Vor allem, was kann ich tun?
Zuführdienste
- Was macht die Kollegin bzw. der Kollege, wenn…? etc.
- Einfühlungsvermögen / interkulturelle Kompetenz
- Einsatzmittel (zum Beispiel Waffen, Bodycuff im Kfz, Räumschild etc.)
- Was ist bei einer Autofahrt zu beachten?
- Entsorgung, Erbrechen, Krankheitsbilder
- Lange Fahrt – Bodycuff/Fesselungsmittel – Zulässigkeit?
- Gefkw – ja/nein?
- Eskalationsstufen – wann bricht man die Fahrt ab?
- Checklisten Wissen: Was muss ich wann wie tun?
- Begleiter-Ansatz?
Die Bundespolizei ist für die Zuführung bundesweit schlecht bis gar nicht ausgestattet.
Es fehlen zum Beispiel geeignete Fahrzeuge (aktuell sind sie überaltert oder nicht geeignet bzw. nicht nach dem heutigen Stand der Technik ausgestattet). Nur so könnten Einzel- oder Sammelfahrten mit rückzuführenden Menschen unter rechtlichen, aber auch menschlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden – zum einen für den Beschäftigten der Bundespolizei, aber auch für den Rückzuführenden. In diesem Bereich sind die Landesbehörden der Bundespolizei weit voraus.
Hier fordern wir als Gewerkschaft der Polizei dringend die notwendige Ausstattung, getreu dem Motto:
Wer professionelle Arbeit verlangt, sollte auch professionelle Ausstattung zur Verfügung stellen!
Die Liegenschaften sind bei der Bundespolizei allgemein ein riesiges Problem. Hier müssen die Bedingungen ebenfalls für die Beschäftigten, aber auch für die rückzuführenden Menschen dringend verbessert oder teilweise überhaupt erst menschenwürdig gestaltet werden. Bearbeitungs- und Gewahrsamsmöglichkeiten für die Rückführungsbereiche müssen sofort evaluiert und dann geschaffen werden.
Um gerade auch die immer wieder im politischen Raum beschworenen aufenthaltsbeendenden und aufenthaltsverhindernden Maßnahmen effizient durchsetzen zu können, ist von den Bundesländern zudem die Problematik der zur Verfügung stehenden Haftplätze zu regeln.
Es darf nicht sein, dass die Rückführung von Menschen daran scheitert, dass es in Deutschland zu wenige Haftplätze gibt!
Weiterhin darf es auch nicht sein, dass Beschäftigte der Bundespolizei teilweise Mehrtagesfahrten auf sich nehmen müssen, um Menschen in die wenigen in Deutschland vorhandenen Abschiebehaftanstalten zu bringen und dann auch wieder abzuholen. Als Gewerkschaft der Polizei appellieren wir vehement an den Bundesjustizminister, aber auch an seine Länderkollegen, diesen Missstand sofort zu beseitigen.
Solange es nicht ausreichend Haftplätze für rückzuführende Menschen gibt, ist die Vollzugssicherung nicht gegeben!
Bei der sogenannten Überstellung vom Ausland an Deutschland oder umgekehrt müssen endlich die rechtlichen Voraussetzungen vereinheitlicht und Klarheit geschaffen werden, wie mit den Menschen an den Überstellungspunkten umgegangen wird. Wir brauchen bundesweit klare Regelungen, damit unsere Kolleginnen und Kollegen insbesondere in Bezug auf die strafrechtliche Bewertung rechtlich einwandfrei agieren können. Auch die BRAS 120 sollte im Kontext der Rückführung auf dem Landweg dringend überarbeitet werden. Es müssen klare Vorgaben analog der BRAS 124 (Luftrückführung) wie zum Beispiel der zu wählende Begleiter-Ansatz in den Fahrzeugen gemacht werden.
Es ist fraglich, ob die bilateralen Verträge mit den Nachbarstaaten angesichts der hohen Zuwanderung nach Deutschland wirklich effektiv genug sind, um Maßnahmen auch effizient durchzusetzen. Hier muss evaluiert werden, ob diese Verträge an die aktuellen Anforderungen angepasst wurden und ob die festgelegten Verfahren von der Bundespolizei durchführbar sind. Die gute Zusammenarbeit, die hauptsächlich der Arbeitsebene und ihren kreativen Ideen zu verdanken ist, sowie die aktuell hohen Rückführungszahlen sind nicht langfristig und möglicherweise auch nicht rechtlich gesichert (Stichwort: erneute Einreise bleibt unerkannt). Hier fordern wir konkrete und ganzheitliche Abkommen auf EU-Ebene. Dies gilt vor allem für die effiziente Ausgestaltung der Übergabe von Menschen bei angeordneten Grenzkontrollen (Stichwort: EuGH-Urteil Wiedereinführung von Grenzkontrollen).
In diesem Zuge stellen wir als GdP zum wiederholten Male die Wirksamkeit des Dublin-Verfahren in Frage. Entweder muss diese Regelung auf europäischer Ebene schnellstmöglich überarbeitet werden, oder alle europäischen Länder müssen zur Einhaltung der Vereinbarungen verpflichtet werden. Aus unserer Sicht wäre es eventuell sinnvoll, dieses Instrument abzuschaffen und stattdessen ein wirksameres einzuführen.
Vor allem werfen wir hier die Frage auf, wie nach neuer Regelung des Verfahrens an den EU-Außengrenzen mit aufgegriffenen Menschen an der Binnengrenze Deutschlands zu verfahren ist.
Bei der Rück- und Zuführung an den Landgrenzen nehmen wir aber auch die Behördenleitung in die Pflicht. Wenn diese Aufgabe professionell erledigt werden soll, muss sie auch mit ausreichend ausgebildetem Personal hinterlegt sein. In der Personalgewinnung gilt: Wenn die Attraktivität stimmt, findet sich auch geeignetes Personal!
Für die Rückführ- und Zuführaufgaben fordern wir als GdP zudem eine Aufwandsentschädigung analog der Personenbegleiter Luft (PBL). Die teilweise stundenlangen Fahrten in den veralteten und nicht geeigneten Kfz und die dabei nötige permanente Konzentration sind so belastend, dass ein Vergleich mit der PBL-Aufwandsentschädigung gerechtfertigt ist. Auch die durch die Aufgabe veränderten Arbeitszeiten und die Verluste – zum Beispiel von DWZ – könnten mit dieser Aufwandsentschädigung ein Stück weit kompensiert werden.
Bezüglich der Arbeitszeiten muss die Bundespolizei zudem im Sinne der Kolleginnen und Kollegen berücksichtigen, dass durch die Aufgabe keine Minusstunden entstehen dürfen. Auch die Pausenzeitregelung muss bei dieser Aufgabe angepasst werden. Dies stünde dann auch wieder im Einklang mit der hohen Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen – ein Faktor, der ja gerade im Zertifizierungsprozess „Audit Familie und Beruf“ ständig von Behörde und Politik proklamiert wird.
Wir als GdP sehen somit sehr viele Defizite im Aufgabenbereich Rückführung bei Grenzkontrollen und der Grenzüberwachung und fordern deswegen dringende Verbesserungen!