14.09.2022
Podiumsdiskussion im Rahmen des Festaktes des 27. Ordentlichen GdP-Bundeskongresses
Die Demokratie ist einem regelrechten Stresstest ausgesetzt
Bundeskongress 2022
Der 27. Ordentliche Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte am Mittwoch im Rahmen des Festaktes zur Podiumsdiskussion geladen. Zu besprechen gab es viel in diesen bewegten Zeiten. Moderator Christoph Tiegel und Podiumsgäste diskutierten über Respekt, den neuen Krieg in Europa und einen vermeintlich heißen Herbst. Der Moderator redet nicht lange um den heißen Brei, sondern kommt gleich zur Sache. Wie ist es um den Respekt gegenüber der Polizei in unserer Gesellschaft aktuell eigentlich bestellt?
Gwendolin von der Osten macht den Anfang. Die Göttinger Polizeipräsidentin
zeigt sich realistisch: Man lebe in einer Gesellschaft, die nicht demütig
das tue, was die Polizei und Institutionen ihnen sagten. Darum sei es umso
wichtiger, dass die Politik der Polizei ihre Wertschätzung entgegenbringe.
Zwar hieße es, Respekt müsse man sich verdienen, gibt GdP-Chef Jochen
Kopelke zu bedenken, „das müssen Polizisten aber nicht.“ Von der Osten
sieht das anders: „Wir müssen uns Respekt immer wieder neu erkämpfen und
erklären, warum wir tun, was wir tun. Als Garanten für die Demokratie
müssen wir sehr transparent handeln und erklären.“ Gegen Kritik sei auch
nichts einzuwenden. Gegen eine grundsätzlich feindliche Haltung schon,
sagt die Polizeipräsidentin. Da sind sich alle einig.
Alina Kelbing aus Schleswig-Holstein erweitert das Thema Respekt um den
Begriff Wertschätzung. Beides hätte unterschiedliche Facetten, sagt die
Polizistin. Neben all den Negativbeispielen gebe es auch immer noch die
dankbare Verkäuferin. „Die ist natürlich froh, dass die Kollegen da sind,
wenn sie einen renitenten Ladendieb hat.“ Dem gegenüber stehe dann
wiederum die mitunter mangelnde Wertschätzung der Behörde. Kelbing
berichtet aus der Praxis. Auf ihrer Dienststelle habe man in Vorbereitung
auf einen potenziell „heißen Herbst“ bereits die Thermostate von den
Heizungen abmontiert. „Wenn ich mir vorstelle, wir sitzen da um zwei Uhr
nachts, durchnässt im Kalten, dann hat das mit Wertschätzung nichts zu
tun“, bringt es Kelbing auf den Punkt. Dafür gibt es vom Publikum tosenden
Applaus und einmütiges Nicken aus der Runde.
Kopelke legt nach: „Wenn ich lange Polizeidienst gemacht habe, aber in der
Pension bei Entlastungspaketen vergessen werde, ist das nicht nur
ärgerlich, sondern höchst befremdlich.“ Grundsätzlich sei Respekt ja
etwas, das jeder Mensch bereits von der Wiege an lernen müsse, hält der
GdP-Chef fest. Ganz gleich, wem gegenüber. Für Kopelke ist klar: Dafür
braucht es großen Zusammenhalt, eine gesellschaftliche Mammutaufgabe,
insbesondere in diesen schwierigen Zeiten.
Tiegel greift das Stichwort „heißer Herbst“ auf. Ist unsere Demokratie in
Gefahr?
Olaf Sundermeyer nickt: „Die Demokratie ist einem regelrechten Stresstest
ausgesetzt“, sagt der Investigativ-Journalist des rbb. Sowohl Polizei als
auch Medienvertreter bekämen den Zorn demokratieferner Kräfte, immer
wieder zu spüren. Der Bezirksbürgermeister des Berliner Bezirkes Neukölln,
Martin Hikel, findet klare Worte: „Der Kampf für die Freiheit muss weiter
vorangetrieben werden.“ Die Demokratie müsse erhalten werden – mit all
ihren Vorteilen und Nachteilen. Aber: Für die Debatte um einen
vermeintlich heißen Herbst wünscht der Politiker sich mehr Nüchternheit
und Gelassenheit. „ich bin immer vorsichtig zu sagen: Wir haben einen
heißen Herbst. Macht euch auf was gefasst.“ Nicken aus dem Publikum. Am
Ende kommt eine Versachlichung der Debatte schließlich auch den
Kolleginnen und Kollegen auf der Straße zugute.