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1932: Polizei beseitigt Barrikaden in Berlin-Moabit. | © Süddeutsche Zeitung Photo
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Polizei und Polizeigewerkschaften – Vom Kaiserreich bis zur Weimarer Republik

Bereits im Kaiserreich schlossen sich Polizeibeamte zu Vereinigungen zusammen. Diesen war es jedoch strengstens untersagt, als Interessenvertretungen aufzutreten. Erst in der Weimarer Republik durften auch Beamte im Polizeidienst Verbände gründen, die sich für ihre wirtschaftlichen und sozialen Belange einsetzten. In dieser Zeit entstand eine große Zahl von Vereinigungen, die sich in ihrer Zusammen- und Zielsetzung teils erheblich unterschieden.

Vom Kaiserreich bis zur Novemberrevolution

Erste Vereinsgründungen unter Polizeibeamten wurden bereits im Jahre 1882 dokumentiert. In diesem Jahr gründete sich der „Sterbekassenverein der Bayerischen Polizeimannschaft“. Dabei handelte es sich jedoch keineswegs um eine gewerkschaftlich orientierte Organisation. Ebenso war der „Gesangverein C.A.“ der Berliner Kriminalpolizei von 1887, der erste in Preußen genehmigte Verein staatlicher Polizeibeamter. Diesen ersten Kameradenvereinen waren einzig solche Tätigkeiten gestattet, die sich auf die dienstfreie Zeit bezogen oder der Förderung des Mannschaftsgeistes und der Staatstreue zu Gute kamen. Lag ein erstes Zentrum der Vereinsgründungen in Süddeutschland, verschob sich dieses nach der Jahrhundertwende zunehmend in das Land Preußen.

Trotz Widerständen aus der Polizeiführung und entsprechender Verbote, kam es während der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts zu immer neuen Gründungen. 1907 schlossen sich erstmals die Berliner Kriminalwachtmeister zusammen. Ein Jahr später entstanden der „Bund der Polizeibeamten in Sachsen“ und der „Bayerische Polizeibeamtenverband“. Am 27. Januar 1909 wurde der „Bund der kommunalen Polizeibeamten Preußens“ gegründet, 1910 folgte der „Verein der oberen Polizeiexekutivbeamten Preußens“ und 1911 schließlich der „Zentralverband der Polizeisergeanten Preußens“. Im selben Jahr gründete sich der „Verband der Kommunalbeamten für das südliche Münsterland und benachbarte Gebiete“.


Der Versuch Berliner Schutzleute 1913 eine Polizeivereinigung zu gründen, verdient insofern eine besondere Betrachtung, da dieser schlussendlich zur Gründung des Schrader-Verbandes führte – der sich zur einflussreichsten Polizeivereinigung Preußens entwickelte. Zugleich steht er exemplarisch für die Schwierigkeiten und Widerstände die zu überwinden waren, um im Kaiserreich eine Polizeivereinigung zu gründen.

Der Berliner Schutzmann Franz Fuhrmann hatte seine Kollegen im November 1913 zu einer Versammlung eingeladen, auf der über die Gründung eines Vereines der Schutzmannschaften in Berlin diskutiert werden sollte. Als an Stelle der erwarteten Hundert über tausend Beamte am 28.11. in den Blumensälen erschienen, musste man die Versammelten auf zwei weitere Säle verteilen. Auf der Versammlung wurde die Gründung der „Vereinigung Berliner Schutzleute“ unter dem Vorsitz von Fuhrmann beschlossen. In der Satzung wurden als Ziele der Vereinstätigkeit die Förderung des Standesansehens sowie die Pflege der Kameradschaft und der Staatstreue genannt. Von gewerkschaftlicher Interessenvertretung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Rede. Trotzdem fühlte sich der Polizeipräsident von Berlin, Jagow, durch die unangemeldete Gründung dieser Vereinigung durch seine Untergebenen provoziert. In seinem Tagesbefehl vom 2. Dezember 1913 verbot er daher jegliche weitere Versammlungen.

Das von den Gründern der Vereinigung am 8. Dezember eingereichte Gesuch um Genehmigung der Vereinssatzung wurde ebenfalls abgelehnt. Auch die Versuche, sich auf ihre staatsbürgerlichen Rechte und die bereits genehmigten Vereine der Kriminalschutzmänner und der Polizeiwachtmeister zu berufen, um die Organisationsgründung zu rechtfertigen, liefen ins Leere. Für die Initiatoren der Vereinsgründung hatten diese Vorstöße auch persönliche Konsequenzen. Franz Fuhrmann wurde nach einem Dienstverfahren in das oberschlesische Zabrze strafversetzt. Auch sein Kollege Hönow, der nach Fuhrmanns Ausscheiden als 2. Vorsitzender weitere Versammlungen einberief, wurde vernommen und nach Königsberg versetzt.

Den Strafversetzungen waren weitere Aktivitäten zur Organisationsgründung vorausgegangen. Obwohl der Polizeipräsident Jagow das Gesuch auf Genehmigung bereits im Dezember 1913 auch offiziell abgelehnt hatte, kam es im Januar 1914 zu erneuten Versammlungen in den Andreas-Festsälen. Als Vertreter im Falle eines zu erwartenden Verfahrens gegen Hönow wurde Ernst Schrader bestimmt. An den Versammlungen nahm unter anderem auch der Landtagsabgeordnete Dr. Mugdan teil. Auch andere Abgeordnete unterstützten die Vereinsgründung und stießen eine öffentliche Diskussion über die Vereinigungsrechte von Polizeibeamten an.

Weitere Treffen des Vereins wurden auf Grund der Strafversetzungen im Geheimen abgehalten. Die Leitung übernahm häufig Schrader, der mit der Versetzung in den Straßendienst eine verhältnismäßig milde Strafe für seine Vereinstätigkeit bekommen hatte. Um sich besser zu vernetzen, wurde ab dem 1. April 1914 die „Preußische Schutzmannszeitung“ über einen Vertrauensmann herausgegeben. Nach Ausbruch des ersten Weltkrieges richtete die aus dem Verborgenen operierende Vereinigung einen Spendenfonds für die Kriegswohlfahrt ein, der in einen Sterbegeldunterstützungsfond mündete. Durch die finanzielle Unterstützung und die damit einhergehende Entlastung der Staatskasse wurde der Verein inoffiziell geduldet. Die politische Stimmung wandelte sich langsam zu Gunsten der Kameradenvereine.

Im Dezember 1915 konnte schließlich der „Verband der Kameradenvereine der Königlichen Schutzleute des Landespolizeibezirkes Berlin e.V.“ unter Billigung der Regierung gegründet werden. In den folgenden Jahren entwickelte sich aus diesem, unter dem Vorsitz von Ernst Schrader geführten Vereins, der sogenannte „Schrader-Verband“.

Die Novemberrevolution 1918 wurde zur Bewährungsprobe für die gesamte Polizei und erschütterte diese tief in ihren organisatorischen Grundfesten. Die während der revolutionären Unruhen gebildeten Arbeiter- und Soldatenräte planten, die Polizei als staatliche Institution aufzulösen. Die Führer der Polizeivereine, denen es gelang Verbindungen zu den Räten aufzubauen, setzten sich erfolgreich für die Erhaltung der Polizei ein. Oftmals wurden blutige Straßenschlachten zwischen Beamten und Revolutionären durch ihren Einsatz verhindert, wie z.B. durch das Wirken von Ernst Schrader bei den Verhandlungen zur Übergabe des Berliner Polizeireviers. Nicht selten widersprachen ihre Handlungen dabei den Dienstbefehlen.

Unter dem Einfluss der Revolution und der aus ihr hervorgegangenen Demokratie wandelte sich das Verständnis von Polizei deutlich. Eine Entwicklung hin zu einer zivilen Polizei und weg von den militärischen Umgangsformen der Kaiserzeit setzte ein. Polizeivereinigungen wie der Schrader-Verband nahmen die parteipolitische Neutralität in ihre Grundsätze auf.