Der „Verband Preußischer Polizeibeamter“ oder auch "Schrader-Verband"
Der nach seinem Vorsitzenden Ernst Schrader auch „Schrader-Verband“ genannte „Verband Preußischer Polizeibeamter e. V.“ entwickelte sich während der 1920er Jahre von einer Interessenvertretung kommunaler Polizeibeamter hin zur Einheitsorganisation aller Polizisten im Lande Preußen. Durch seine demokratische Ausrichtung und den hohen Organisationsgrad nahm er, bis zu seiner Zerschlagung durch die Nationalsozialisten 1933, einen herausragenden Platz unter den Polizeigewerkschaften der Weimarer Republik ein.
Vom Kaiserreich bis zur Gründung der Weimarer Republik
Bereits 1913 gab es erste Versuche eine Vereinigung der Berliner Schutzleute zu gründen. Auf Grund immer neue Verbote und des massiven Widerstands von Seiten der Polizeiführung, kam es jedoch zu keiner offiziellen Anerkennung dieser ersten Organisation. Die Bemühungen kamen damit aber nicht zum Erliegen, sondern es fanden weitere, nun geheime Treffen, häufig unter der Leitung von Ernst Schrader statt. Durch öffentliche Diskussionen über die Möglichkeiten und das Recht der Polizeibeamten, sich zusammenzuschließen, wurden die Bedenken gegen eine Vereinigung der Schutzmannschaften langsam aufgeweicht.
Am 13. Dezember 1915 konnte in der Philharmonie in der Köpenickerstraße 96/97 in Berlin endlich der „Verband der Kameradenvereine der Königlichen Schutzleute des Landespolizeibezirkes Berlin e.V.“ gegründet werden. In diesem schlossen sich die in den Vororten und Hauptmannschaften entstandenen kleinen Vereine zusammen. Ernst Schrader wurde zum Vorsitzenden des neuen Verbandes gewählt, der seine Geschäftsstelle in der Fürbringer Straße 9 einrichtet. Die „Schutzmannzeitung“, die noch in der Zeit der geheimen Treffen ins Leben gerufen worden war, wurde vom Kameradenverein übernommen.
Überall in Preußen gründeten sich in der Folgezeit, auch gegen den Protest der Vorgesetzten, kleine Vereine, von denen sich viele dem Berliner Kameradenverein anschlossen. Während in ganz Europa der 1. Weltkrieg tobte, focht auch der Polizeibeamtenverein erste Kämpfe aus. Er forderte Lohnerhöhungen und Aufstiegsmöglichkeiten in Offiziersränge für untere Beamte. Durch die Einberufungen in den Militärdienst waren die Reihen der Polizeimannschaften stark ausgedünnt und trotz der andauernden beruflichen Überlastung, reichte der Lohn kaum für das Nötigste. Um die finanzielle Not seiner Mitglieder zu lindern, beschloss der Kameradenverein daher auf seinem Verbandstag 1916 die Einrichtung einer Spar- und Darlehnskasse.
Ein Jahr später erteilte der damalige preußische Innenminister, Wilhelm Arnold Drews, dem Verein die Erlaubnis, sich auf das gesamte Regierungsgebiet Preußens auszudehnen. Daraufhin beschloss der Verein sich in den „Verband der Kameradenvereine der Königlichen Schutzmannschaft Preußens e.V.“ umzubenennen. Gleichzeitig wurde die Geschäftsstelle in die Blücherstraße 1 in Berlin verlegt.
Im Herbst 1918 brach in Deutschland die Novemberrevolution aus. Vom jahrelangen Krieg zermürbt erhob sich das Volk gegen die Monarchie und zwang den Kaiser zur Abdankung. Die Republik wurde ausgerufen. Für die Polizei, als Vertreterin der staatlichen Macht, eine schwierige Situation. Ernst Schrader und die Führer der anderen Polizeiverbände verhandelten mit den revolutionären Arbeiter- und Soldatenräten und es war letztendlich auch ihren Vermittlungsbemühungen zu verdanken, dass die Polizei strukturell wie personell relativ unbeschadet die Revolution überstand. Der Schrader-Verband formulierte in dieser Zeit sein demokratisches und parteineutrales Selbstverständnis, dass während der Weimarer Republik zum leitenden Motiv wurde und sein Verhältnis zur preußischen Landesregierung entscheidend beeinflusste.
Der Schrader-Verband in der Weimarer Republik bis zur Weltwirtschaftskrise
Durch die am 14. August 1919 in Kraft getretene Weimarer Reichsverfassung (WRV) erhielten die Polizeibeamtenverbände einen deutlich größeren Spielraum. In Artikel 130, Absatz 2 wurde den Beamten das unbeschränkte Vereins- und Versammlungsrecht, sowie die politische Gesinnungsfreiheit garantiert.
Der Schrader-Verband nutzte diese Rechte in den kommenden Jahren, um die materielle Situation seiner wachsenden Anhängerschaft sowie die Stellung der Polizeibeamten im Staat zu verbessern. Seinem demokratischen Selbstverständnis folgend, bemüht er sich ebenfalls, den Demokratisierungsprozess innerhalb der Polizei voranzutreiben und die strengen Hierarchien zu lockern.
Einen ersten großen Erfolg konnte der Schrader-Verband bereits 1919 feiern. Nach dem Zusammenschluss mit dem „Bund der kommunalen Polizeibeamten Preußens“ und dem Zentralverband der Polizeisergeanten am 24. August in Frankfurt an der Oder, gelang es erstmals die kommunalen Polizeibeamten auf Landesebene in einem Verband zusammenzufassen. Zum Vorsitzenden des „Verbandes der Polizeibeamten Preußens e.V.“, wie sich der ehemalige Kameradenverein nun nannte, wurde erneut Ernst Schrader gewählt. Die Frage um den organisatorischen Aufbau des Verbandes konnte Schrader 1920 für sich entscheiden. Er plädierte für eine Einheitsgewerkschaft, die sich in Gaue, Bezirks-, Orts-, und Kreisgruppen gliederte, anstelle des bisherigen Dachverbandes, indem die angeschlossenen Verbände weiter nebeneinander standen.
Im Zentrum der gewerkschaftlichen Arbeit der ersten zwei Jahre standen die Auseinandersetzungen um die Organisation der Polizei. Die von der Regierung beschlossene Aufteilung in kommunale und staatliche Polizei – nach den Farben ihrer Uniformen auch „blaue“ und „grüne“ Polizei genannt – stieß auf scharfe Kritik von Seiten des Schrader-Verbandes. Die militärische Organisation der „grünen“ Sicherheitspolizei (Sipo), die als Ersatz der Schutzmannschaften fungieren sollte, widersprach dem zivilen Polizeiverständnis des „blauen“ Verbandes zutiefst.
In mehreren Denkschriften formulierte der Verein seine Einsprüche gegen die Neuorganisation und die Regierungspläne, die kommunale Polizei nach und nach durch die Staatliche zu ersetzen. Weitere Forderungen der Jahre 1919 und 1920 umfassten: die offizielle Anerkennung des Verbandes als Polizeigewerkschaft, den personellen Ausbau der Schutzmannschaften, die Einführung des 8-Stunden-Tages, eine modernisierte und an die Gegebenheiten des Polizeialltags angepasste Uniform, die Verbesserung der Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie die Aufstiegsmöglichkeiten für Polizeibeamte.
Auf einem Empfang im April 1920 sprach der preußische Innenminister Carl Severing zu Vertretern des Schrader-Verbandes und ging teilweise auf deren Forderungen ein. Er sagte zu, die Verbände an der Neuorganisation des Polizeiwesens zu beteiligen und den Personalabbau innerhalb der Schutzmannschaften zu stoppen. Größerer Widerstand wurde dem Verband von Seiten der Polizeioffiziere entgegengesetzt, die immer wieder Druck auf die ihnen unterstellten organisierten Beamten ausübten.
Die Einrichtung des „Hauptausschusses der staatlichen Polizeibeamten Preußens beim Ministerium des Inneren“ 1921, unter Beteiligung aller bis dato bestehenden Polizeiverbände, ermöglichte es dem Schrader-Verband direkten Einfluss auf die organisatorische Ausgestaltung der Polizei zu nehmen. Im selben Jahr erhielten Verbandsvertreter die Erlaubnis, sich an den seit 1919 innerhalb der Polizeidienststellen gebildeten Beamtenausschüsse zu beteiligen. Dadurch konnte der Verband sowohl auf „oberster“ als auch „unterster“ Ebene seinen Vorstellungen und Forderungen Gehör verschaffen.
Im September 1922 tagte sowohl der Schrader-Verband als auch der „Preußische Polizeibeamtenverband“, der seit 1921 die abermals reformierte „grüne“ Polizei organisierte, in Berlin.2 Die Vertreter beider Vereinigungen traten zusammen, um über die Möglichkeiten einer Annäherung zu beraten. Obwohl beide Organisationen einander bisher als Konkurrenten gegenübergestanden hatten, kam man zu der Einsicht, dass eine gemeinsame Interessenvertretung zum Vorteil aller Mitglieder wäre. Daher beschloss man, die beiden Verbände zu vereinigen. Nach teils heftigen Auseinandersetzungen, beispielsweise um die Geschäftsordnung, war es im Februar des folgenden Jahres soweit.
Der auf einem Treffen am 20. und 21. Februar 1923 gefasste Beschluss lautete:
"Der Preußische Polizeibeamtenverband und der Verband der Polizeibeamten Preußens e. V. schließen sich durch den Verbandstagsbeschluß vom 20. Februar 1923 zu einem Verband mit dem Namen "Verband Preußischer Polizeibeamten e. V." zusammen."
Damit war es erstmals gelungen, eine Einheitsorganisation aller Polizeibeamten auf Landesebene zu gründen. Den Vorsitz über den nun zwischen 52.000 und 60.000 Mitglieder umfassenden Verein übernahm erneut Ernst Schrader.
1924 folgte der Zusammenschluss mit dem Verband der Kriminalkommissare und -inspektoren und die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgemeinschaft mit dem Verband des Polizeiverwaltungsdienstes. Inhaltlich beschäftigte sich der Schrader-Verband in diesem Jahr vor allem mit der Ausbildung an den Polizeischulen. Er übte Kritik an den nach wie vor militärisch geprägten Lehrmethoden, die nur unzureichend auf den realen Polizeialltag vorbereiteten.
Obwohl es dem „Verband Preußischer Polizeibeamten“ 1925 gelang auch den Verband der Höheren Kriminalbeamten Preußens zu organisieren, musste er in diesem Jahr auch einen herben Rückschlag einstecken. Nach internen Auseinandersetzungen kam es zur Abspaltung einer Gruppe von Unzufriedenen, die sich in der Folge unter dem Namen „Allgemeiner Preußischer Polizeibeamtenverband“ (auch Betnareck-Verband genannt) als neue Organisation zusammenschloss und in Konkurrenz zum Schrader-Verband trat.
Um den andauernden Auseinandersetzungen mit den Polizeioffizieren ein Ende zu setzen wurde 1926, auf Initiative von Magnus Heimannsberg, eine Offiziersfachgruppe im Schrader-Verband gegründet. Desweiteren schlossen sich der „Bund der Verwaltungsbeamten Preußens“ und der Verband des „Reichswasserschutz“ an.
Seinen Mitgliedern konnte der Verband zu diesem Zeitpunkt unter anderem ein umfassendes Versicherungsangebot bieten. Dies umfasste eine Sterbegeldversicherung, die sich auch den Ehepartner erstreckte, Versicherungen gegen Feuer, Einbruch und Unfall, sowie eine Rechtsschutz- und Krankenversicherung. Weitere Leistungen bestanden in einem Berufsfortbildungsangebot und der wöchentlich erscheinenden Verbandszeitung.
1927 wird ein neues Polizeibeamtengesetz beschlossen. Durch dieses wird der Polizeiberuf zum Lebensberuf. Während bis dato ein Großteil der Schutzpolizisten nach 12 Jahren aus dem Dienst entlassen wurde, legte das neue Gesetz ein Regellaufbahn mit lebenslanger Festeinstellung nach 12jähriger Dienstzeit und einem Pensionsanspruch mit 60 Jahren fest. Der Schrader-Verband nahm aktiv Einfluss auf die Ausgestaltung des Gesetzes. Durch Protestveranstaltungen konnten insbesondere Änderungen der Entlassungsbestimmungen durchgesetzt werden.
Vom Beginn der Weltwirtschaftskrise bis zur Zerschlagung durch die Nationalsozialisten
Im Jahre 1929 wurde Deutschland von der Weltwirtschaftskrise erfasst. Die radikalen politischen Kräfte der Weimarer Republik nutzten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, um durch gezielte Propaganda ihren Einfluss auszuweiten. Dazu gehörten nicht nur die verbalen Attacken gegen die Regierung und die Demokratie allgemein. Immer öfter kam es zu Demonstrationen, oft gefolgt von blutigen Straßenkämpfen. Die Polizei und damit auch ihre Verbände befanden sich dabei an vorderster Front.
Obwohl sich die politische Situation deutlich verschärfte und die nationalsozialistische Presse gegen die Gewerkschaften hetzte, wuchs der Verband weiter. Selbst unter der stark organisierten Beamtenschaft stach der Schrader-Verband hervor. 1930 vereinte er rund 80 Prozent der preußischen Polizeibeamten. Welchen Einfluss der Verband zu diesem Zeitpunkt hatte verdeutlicht auch folgendes Beispiel aus demselben Jahr: Der Berliner Polizeipräsident Zörgiebel hatte kurzfristig alle Beziehungen zum Schrader-Verband abgebrochen, da er an den kritischen Artikeln des Verbandsvorsitzenden Ernst Schrader Anstoß genommen hatte. Schon nach kurzer Zeit musste er den Boykott jedoch wieder aufgeben.
1931 stieß der Betnareck-Verband, der sich sechs Jahre zuvor abgespalten hatte, wieder zum Schrader-Verband. Der Grund dafür lag in der Erkenntnis, dass in diesen schwierigen politischen Zeiten die gegenseitige Konkurrenz den Interessen der organisierten Polizeibeamten zuwider lief.
Das Jahr 1932 wurde endgültig zur Bewährungsprobe für den Verband. Die NSDAP, die gegenüber der gesamten preußischen Polizei eine ablehnende Haltung vertrat, wandte sich nun immer offener und heftiger gegen die Beamtenverbände. Der Schrader-Verband war den Nationalsozialisten auf Grund seiner republikanischen Ausrichtung besonders verhasst und galt als politischer Gegner. Bereits im Juni brachte die NSDAP-Fraktion einen Antrag im preußischen Landtag ein, in dem die Auflösung des Verbandes Preußischer Polizeibeamter gefordert wurde.
Nicht nur der Schrader-Verband, sondern auch der Deutsche Beamtenbund (DBB) reagierte empört auf diesen Vorstoß, der jeglicher Rechtsgrundlage entbehrte. Der DBB formulierte und veröffentlichte am 9. Juni als Antwort folgende Entschließung:
Wie zu erwarten war, wurde der Antrag am 4. Juli mit allen Stimmen – ausgenommen derer der NSDAP-Fraktion – abgelehnt. Das hintergründige Ziel der Nationalsozialisten, die Verunsicherung und Abschreckung der Beamtenschaft, war jedoch erreicht worden.
Der Sommer 1932 hielt aber noch weitere Herausforderungen für den Schrader-Verband bereit. Am 20. Juni bat Ernst Schrader, der schon länger in schlechter gesundheitlicher Verfassung war, darum, sich von der Verbandsleitung zurückziehen zu dürfen. Der Verlust Schraders, der mit seiner Person für die demokratische Grundausrichtung des Verbandes stand und damit verantwortlich für dessen Einfluss auf die Regierung war, erschien dem Vorstand aber als unannehmbar. Daher stimmte man vorerst nur einer Beurlaubung zu. Die Amtsgeschäfte übernahm vorrübergehend der Kriminalbeamte und 2. Vorsitzende Hans Brebeck.
Der sogenannte „Preußenschlag“ vom 20. Juli drängte den Verband endgültig in eine isolierte Position. Die von der Reichsregierung abgesetzte preußische Regierung, im Besonderen der Innenminister Severing, war dem Schrader-Verband trotz aller Auseinandersetzungen ein verlässlicher Verhandlungspartner gewesen. Ohne ihren Vorsitzenden Schrader und des politischen Rückhalts beraubt, schwankte der Verband zwischen Annäherung an die neuen Machtverhältnisse und dem Versuch, sich ideologisch selbst zu behaupten. Dem stellvertretenden Vorsitzenden Brebeck gelang es nicht, eine konsequente Abwehrstrategie zu entwickeln. Stattdessen versuchte er, den Verband durch einen Anpassungskurs an die Nationalsozialisten vor weiterem Schaden zu bewahren. So sprach er sich am 6. August lobend für die Aufhebung des Verbotes der Mitgliedschaft in der NSDAP für Beamte aus. Auch das republikanische Selbstverständnis des Verbandes nahm er zurück, während er gleichzeitig versuchte, dessen parteipolitische Neutralität hervorzuheben. Ernst Schrader, der eigentlich im Herbst den Vorsitz wieder übernehmen sollte, zog sich am 13. September endgültig aus der Verbandsleitung zurück.
Auf dem 7. Verbandstag des Schrader-Verbandes vom 23. bis 25. Januar 1933 kam es zu einem letzten Aufbäumen der republiktreuen Kräfte innerhalb der Vereinigung. Mit 99 von 151 Stimmen wurde der für seine republikanische Einstellung bekannte und im Zuge des Preußenschlags von seinem Amt als Berliner Kommandeur der Schutzpolizei enthobene Polizeioffizier Magnus Heimannsberg zum neuen Vorsitzenden gewählt. Auf Brebeck, der sich ebenfalls zur Wahl gestellt hatte, entfielen nur 36 Stimmen. Die Wahl wurde von der NSDAP als Kampfansage aufgefasst. Heimannsberg bezeichnete sich selbst in seiner Antrittsrede als Schüler Ernst Schraders und versprach den versammelten Delegierten, den Verband in dessen Sinne zu führen.
Die Machtübernahme der Nazis am 30. Januar ließ jedoch alle Hoffnungen auf eine Besserung des politischen Klimas erlöschen. Noch am selben Tag trat Hermann Göring seinen neuen Posten als preußischer Innenminister und Dienstherr der preußischen Polizei an. Unter ihm wurden Führungspositionen in der Polizei schnell mit bekennenden Nationalsozialisten besetzt. Der Schrader-Verband versuchte weiterhin als Interessenvertretung aufzutreten und erhob Einspruch gegen die Entlassungen republikanisch orientierter Kollegen. Sein Einfluss war jedoch unter den neuen Machthabern bedeutungslos. Heimannsberg versuchte, wie schon Brebeck vor ihm, durch erneute Betonung der politischen Neutralität des Verbandes, diesen zu retten. Auf einer Versammlung von Verbandsfunktionären im Februar ging er sogar soweit, ein Bekenntnis zur „Idee der Volksgemeinschaft“ zu formulieren. Doch alle Versuche sollten nichts nutzen.
Die Nationalsozialisten hatten unterdessen auch den Verband unterwandert und bisher neutrale Mitglieder gegen die Vereinsleitung aufgestachelt. Am 18. Februar erklärten einzelne Ortsverbände ihren Austritt aus dem Schrader-Verband. In einem Schreiben erklärten sie:
Auf diese Art unter Druck gesetzt, erklärte Magnus Heimannsberg am 8. März seinen Rücktritt von der Verbandsleitung. Seine Gründe wurden den Mitgliedern in einem Sonderrundschreiben des stellvertretenden, nun abermals nachrückenden Vorsitzenden, Brebeck, mitgeteilt:
Doch auch sein Rücktritt sowie der Annäherungskurs Brebecks an die NSDAP konnte den Schrader-Verband nicht retten. Am 14. März wurde der Vorstand der Ortsgruppe Frankfurt am Main von nationalsozialistischen Mitgliedern abgesetzt und durch Männer aus den eigenen Reihen ersetzt. In einem Schreiben an die Kollegen in Berlin forderten sie diese auf, mit dem Vorstand dort ebenso zu verfahren. Gleichzeitig baten sie den Innenminister Göring darum, die Beamtenverbände allgemein aufzulösen, die sie der Korruption beschuldigten.
Auf einer Vorstandssitzung Mitte März beschloss man den nationalsozialistischen Rechtsanwalt Dr. Georg Schieferdecker in die Verbandsleitung zu berufen. Fritz Rößler, ein ehemaliger Schutzpolizist und SA-Mitglied, wurde die Redaktion der „Preußischen Polizeibeamten-Zeitung“ anvertraut. Dies kam einer Kapitulation gleich. Am 10. April legte der gesamte Berliner Gauvorstand des Schrader-Verbandes seine Ämter nieder und wurde durch NSDAP-Mitglieder ersetzt. Brebeck wandte sich Hilfe suchend an den Reichskommissar für das Beamtenorganisationswesen Sprenger – doch vergeblich. Auch sein Schreiben an Göring, indem er der nationalsozialistischen Bewegung die volle Unterstützung des Verbandes der Preußischen Polizeibeamten zusicherte, stieß auf keine erkennbare Resonanz. Derweil ging die Hetze gegen den Schrader-Verband in der rechten Presse weiter. Die „Nationalsozialistische Beamtenzeitung“ forderte im Mai dessen Zerschlagung:
Am 20. Mai erzwangen die Vertreter der Gaue schließlich den Rücktritt des Hauptvorstandes. Der Polizeimeister Fuchs aus Düsseldorf wurde als kommissarischer Vorsitzender eingesetzt. Auf einer Sitzung des neuen Vorstandes am 27. April 1933 wurde, nach vorheriger entsprechender Satzungsänderung, die Auflösung des Verbandes beschlossen. Die Mitglieder wurden aufgefordert, sich dem nationalsozialistischen „Kameradschaftsbund Deutscher Polizeibeamter“ anzuschließen.
Die Nationalsozialisten hatten niemals daran gedacht, die Beamtenverbände zu erhalten. Auch wenn deren Zerschlagung weniger öffentlich als die der freien Gewerkschaften verlief, stand sie dieser in ihrer Effektivität in nichts nach. Im Nationalsozialismus war für die organisierte Interessenvertretung der Beamten kein Platz vorgesehen. Der Schrader-Verband, wie auch die anderen gewerkschaftlichen Organisationen, hatten die Entschlossenheit und Brutalität der Nazis zu lange unterschätzt. Die parteipolitische Neutralität des Verbandes Preußischer Polizeibeamter, aus der Novemberrevolution entstanden, behinderte am Ende der Weimarer Republik seine Möglichkeiten, sich effektiv gegen die Unterwanderung und schlussendliche Zerschlagung des Verbandes zu wehren.